Meine erste Antwort auf diese Frage lautet: Weil es fair ist. Wer von uns geht gern zum Arzt, zur Heilpraktikerin oder in eine Klinik ohne zu wissen, was warum wann und wie an der eigenen Person gemacht wird? Ganz ehrlich, als ich in meiner Kindheit mit vierzehn an meinem Knie operiert wurde mit der Option der Amputation, wollte ich einfach alles wissen. Ich ließ mir sogar die Instrumente zeigen, mit denen das Bein abgesägt werden würde. Auf einem Tablett haben die Ärzte mir ihre Werkzeuge gebracht und genau erklärt, wie das geht. Dann wollte ich wissen, wie es denn danach weiter gehen sollte. Für meine Mutter war das grausam. Aber mein Vater ließ sich darauf ein. Er sprach mit mir über ein Leben im Rollstuhl und wie er das Haus umbauen würde. Er erkundigte sich nach den verschiedenen Prothesen, wir löcherten das Klinikpersonal mit Fragen. Und wir erhielten Antworten. Dann – dann erst konnte ich mich der Situation übergeben mit meinem vollen Einverständnis. Ich konnte mich mit verschiedenen Filmen in meinem Kopf über mein Leben mit oder ohne Bein in die Narkose begeben. In den absoluten Verlust der Kontrolle über meinen Körper und meinen Geist. Und das Beste daran war, ich fühlte mich vorher schon als weiterhin angenommenes Mitglied der Familie, egal, ob ich als körperlich ganzer Mensch da wieder rauskomme oder nicht. Denn wir hatten Plan A und B. Dass ich Schmerzen haben würde in beiden Fällen, dass ich kämpfen müssen werde in beiden Fällen, dass ich weiterhin meinen kleinen, liebevollen Freundeskreis brauchen werde und verständnisvolle Lehrer und Lehrerinnen, stand außer Frage. So war der Moment nach dem Erwachen aus der Narkose erträglich, an dem ich meine Mutter bat, die Decke zurückzuschlagen, damit ich sehen konnte, was darunter los war. Und alles, was danach kam, war machbar. Ich hatte mein Bein noch und ich war in der Lage jahrzehntelang dafür zu kämpfen, es benutzen zu können.Anders war das bei den beiden Operationen davor, als meine Eltern noch autoritätsergeben waren und ich mit fünf und mit zehn Jahren für mich planlos und von oben herab in die Narkose katapultiert wurde. Das Ergebnis war, dass Teile meiner Seele bleiben wollten in dieser wunderschönen, liebevollen Zwischenwelt und man alle Mühe hatte, mich wieder zurück zu holen.

Ich habe nicht nur das große Glück, dass Menschen mir ihre Tiere u.a. in solchen Situationen anvertrauen. Weil ich es genau überprüfen wollte, bin ich sogar mit in zahlreiche Narkosen gegangen. Das ist jetzt vielleicht schwer zu verstehen. Ihr könnt euch das so vorstellen, dass ich selbst all meine Systeme an das jeweilige Tier abgegeben habe, während ein anderer Teil von mir Beobachterin blieb. So konnte ich exakt protokollieren, was das Tier körperlich, geistlig und seelisch durchlebt während der Narkose. Meine Wahrnehmungen wurden auf die Minute von der Tierärztin bestätigt.Weil ich den Unterschied kenne durch eigene Erfahrung und durch die mir anvertrauten Tiere, ihr Lieben, finde ich es fair und notwendig, unsere vierbeinigen Familienmitglieder bis ins kleinste Detail vorzubereiten auf alles, was auf sie zukommt. Sie haben das Recht zu erfahren, was mit ihnen geschieht, warum und wie. Sie haben das Recht zu erfahren, wer wo auf sie warten wird und wie das Leben für sie nach einem Eingriff weitergeht. Und da spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Zahnsanierung handelt oder um eine größere Operation.

An dieser Stelle richte ich wieder einmal erfüllten Herzens meinen Dank an all die Menschen, die das verstehen und im Sinne ihrer Tiere entsprechend handeln.

In diesem Sinne, bleibt bei euch und in der Liebe,

eure Claudia M. Struwe

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