Bei den Temperaturen der letzten Tage verkrümelte sich meine gesamte Bande nach der sehr frühen Morgenfütterung mit anschließendem Garten-Blitz-Pipi in ihren Betten. Unüberhörbare Seufzer der Hunde – die Katzen mögen das nicht alle – verkündeten ihre Zufriedenheit mit mir, habe ich sie doch feste in dicke Decken eingepackt, unter denen sie warten können, bis das Feuer des Ofens dann irgendwann die Hütte wärmt. Ab einer Zimmertemperatur von 17Grad kann ich im Allgemeinen mit kleinen Regungen in Richtung außerhalb der geschützten Kuschelwärme rechnen. Aber nur unter Vorlage eines wirklich triftigen Grundes. Einer dieser Gründe ist z.B., dass wir gemeinsam das Haus verlassen. Aber an diesem Morgen gegen Ende vergangener Woche war es anders.
„FREUNDE! Wir gehen arbeiteeeen!“ Mein fröhlicher Jubel, das tonlose „und wer mag mitkommen?“ beinhaltend, wurde auf ungewöhnliche Weise beantwortet. Simon und Maiina schüttelten sich. Der Bub hopste entschlossenen Blickes auf mein Bett. „OHNE MICH.“ Ups. Ok, ich verstand es ja. Die Tage zuvor waren wir viel unterwegs, da muss er sein dreibeiniges Gestell erst mal wieder ein paar Tage einnorden. „Alles klar, Bub, dann bleibst du daheim.“ Mein Blick wanderte zu Maiina, die beim Geräusch ihres Geschirres von Null auf Hundert beschleunigte und – statt in ihr Geschirr – in ihre Box rannte. „Nö, ich auch nicht. Ich geh da rein, ich bleib da drin, versprochen, ich stell nix an, ich bring mich nicht in Gefahr, du kannst da auch zu machen, ich will sowieso nicht raus!!!“ Auch gut. Mein wildes Pumuckelchen hat auf Pause gedrückt, das braucht sie öfter. Aber was ist denn unter der einzigen noch behundeten Decke los? Nichts. Also so wirklich gar nichtsnichts. Obwohl ich Hannahs Halsband schon in der Hand hielt, blieb das Lebendpaket am Boden regungslos. Ich tippte auf die Nasenspitze, – den einzigen Hinweis, dass sich unter der Decke ein Hund befand. Kein Lebenszeichen. Das änderte sich, als ich die Decke zurückschlug. Während sich ihr Kopf immer noch nicht regte, drehte sie den Rest ihres Körpers auf den Rücken, sodass sie mir ihren blanken Bauch entgegenstrecken konnte. „Du, ich würde ja gerne. Aber neeeeeeee……heute niiiiiiiiicht. Aber lieb bin ich trotzdem. Guck!“ Auf jeden Fall ist sie lieb und zwar nicht trotzdem, sondern immer und genau deswegen. Alle sind sie lieb, alle hab ich sie lieb, mit all ihren Macken und so. Haben wir ja alle, unsere Macken. Also, blieb mein kleiner, zuverlässiger, liebevoller Workaholic auch zu Hause und ich machte mich mit zugegebenermaßen sowohl ungewohnt leerem Auto, als auch demselben Gefühl auf den Weg zu meinem ersten Termin. Dass die anderen beiden aufgrund ihrer jeweiligen Konstitutionen und besonderer Herausforderungen ihre Schonzeiten brauchen, bin ich gewohnt. Dass aber Hannah, die normalerweise am liebsten auch noch sonntags arbeiten würde, sich außerhalb ihrer gewöhnlichen Auszeiten eine Auszeit nimmt, machte mich nachdenklich. Allerdings gebe ich zu, wir hatten viel zu tun in letzter Zeit. Das ist zwar unsere alltägliche Arbeit, doch die Intensität hat sich vielfach gesteigert. Es ist nicht zu übersehen, wie Systeme innerhalb der Familien durcheinandergewirbelt werden, ihre Kraft verlieren und Mensch und Tier manchmal kaum noch in der Lage sind, ihre Energien bei sich zu behalten, geschweige denn alltägliche Entscheidungen zu treffen. Mein Team darf nach getaner Arbeit das alles wieder loswerden. In unseren Familienkonferenzen, bei denen sich Hunde und Katzen gleichermaßen beteiligen, hat Jeder Mitspracherecht und darf abgeben, was nicht zu ihm gehört, sich seine eigene Energie zurückholen, die er sonstwo gelassen hat und dann geht’s raus zum Auftanken. Und wenn sich doch ein Zwicken oder Zwacken manifestiert hat, dann wissen wir, wo wir Hilfe und Begleitung bekommen. (An dieser Stelle gilt mein Dank all den engagierten Therapeutinnen, denen sich meine Mäuse liebend gerne anvertrauen.)
Wenn meine Hannah verkündet, sie mag jetzt nicht arbeiten, kann ich tatsächlich sagen, „Das hat sie ja noch nie gemacht!“ Wie aber muss es erst den Tieren ergehen, die gar nicht wissen, dass sie sagen dürfen, bzw. können, was sie wollen oder nicht? Auch sie tun Dinge, die sie zuvor noch nie gemacht haben. Sei es, dass sie die Wohnung markieren, scheinbar aggressives Verhalten an den Tag legen, sich die Pfoten aufknabbern, etc. Manche sind es gar nicht gewohnt, auf ihre eigenen Gefühle zu achten, geschweige denn, sie mitzuteilen. Oft fühlen sich Tiere nach einem ersten Informationsgespräch ihrer Menschen mit mir schon besser oder – noch beeindruckender – schon nach der Terminvereinbarung dazu. Denn sie spüren, dass ihre Menschen wissen wollen, wie es ihnen wirklich geht, welche Gedanken sie beschäftigen, was sie bedrückt und ob oder wo sie Schmerzen haben. Allein die Hoffnung darauf, den ganzen Kram loswerden zu dürfen, schafft schon Erleichterung. Je paradoxer die Systeme wirken, in denen wir uns noch bewegen, umso schwieriger macht es das Leben nicht nur für uns, sondern auch für unsere Tiere, die nicht in der Lage sind, komplizierte, verbogene Gedankenkonstrukte nachzuvollziehen oder unsere Sorgen zu verarbeiten.
Dann wünschen sie sich, einfach nur Tier zu sein unter unserem Schutz, unserer Klarheit, mit unserem Halt. Unser klares STOP muss sie schützen, wenn durch irgendjemanden oder durch uns selbst unsere eigene oder ihre Integrität verletzt wird durch größere oder kleinere bewusste oder unbewusste Übergriffe, bzw. Opferhaltungen. Unsere Hände müssen sie halten, wenn sie unseren Halt brauchen. Unser Geist muss ruhen, wenn sie unsere innere Ruhe brauchen. Wir müssen „Wir“ sein, denn sie brauchen uns authentisch. Wir müssen präsent sein, denn sie brauchen uns da, wo sie jetzt gerade sind und nicht dort, wo sie früher einmal waren. Wir müssen frei sein, um sie verbindlich zu lieben. Denn ihre Liebe bindet sie an uns. Sie brauchen präsente Menschen, die ihre Bedürfnisse ernst nehmen, um mit ihnen zu lachen, zu weinen und das Leben zu fühlen – bis zur letzten Minute. Wie wertvoll kann unser Leben sein durch unsere Tiere. Wie liebevoll können wir durch die Tage gehen durch sie und mit ihnen – für sie, für uns und für andere. Sie zeigen uns die Türen, öffnen müssen wir sie.
In diesem Sinne wünschen wir euch Freude, Liebe, Lust auf Leben – haltend, klar, entschlossen,
eure Claudia Struwe mit Team