Maïnas sorgenfreie Fürsorge ist das schönste Geschenk für den kranken Carlos
Der Gesang eines Rotkehlchens ließ mich aus dem Fenster schauen. Unbekümmert sprang es von Ast zu Ast. „Lass dich bloß nicht von Jule erwischen!“, dachte ich liebevoll besorgt. Sie war im Augenblick nirgends zu sehen, meine kluge Katze. Während ich mich weiter meinem Tagewerk zuwandte, verweilten meine Gedanken bei dem Paradoxon, dass ich aus Liebe zu Tieren und der Natur mit Raubtieren zusammenlebe, die andere Tiere fressen, die ich ebenfalls liebe. Währenddessen hatte ich das trällernde Rotkehlchen vor Augen, von dem Jule, Max und Carlos bitte die Krallen lassen sollten! Eine Weile später hörte ich ein leises Pochen an das Badezimmerfenster der Rückseite meines kleinen Waldhauses. Vor diesem Fenster befindet sich ein Anbau auf der Höhe eines Fensterbrettes. Nichts Böses ahnend öffnete ich es. Ein Schock durchfuhr meine Glieder. Das Rotkehlchen saß direkt am Fenster und schaute mir in die Augen. Lange. Hüpfen konnte es noch mit dem einen Flügel, der ihm geblieben war. Hinter ihm saß Jule, auf ihr Lob wartend. „Warum hast du das getan??!“, fauchte ich sie an. Ihr verwunderter Blick traf mich mitten ins Herz, während mich ihre Antwort erreichte: ´Ich verstehe nicht, warum du jetzt so reagierst! Ich habe gemacht, was du wolltest!!´ „Bring das zu Ende! Schnell!!“ Sie schnappte sich das kleine Tier und verschwand. Unfassbar schuldig fühlte ich mich. Wie hatte sie das gemeint? Ich wollte genau das nicht!
Vor acht Jahren trug sich diese Szene und noch einige ähnliche Situationen zu, bis ich es begriffen hatte: Wenn ich mir Sorgen mache um ein Lebewesen, stehe ich außerhalb seines Feldes. Unzählige Filme laufen in meinem Gehirn ab, während ich abwäge, nachdenke, beurteile und die beste Lösung finden möchte. Diese Filme hat meine Jule gesehen und genau der Film, der mit dem stärksten Gefühl belegt war, nämlich Angst um das Leben des Rotkehlchens, hat mein Raubtier Jule am intensivsten angesprochen. Sie sah diese Szene in meinem Kopf als Auftrag. Was also hätte ich besser machen können? Spielen wir es einmal durch. Ich hätte mich euphorisch freuen können, dass dieses Vögelchen am frühen Morgen ein Lied trällert. Ok. Wenn wir Menschen uns freuen, möchten wir diese Freude ganz gern bewusst oder unbewusst festhalten. Wir wollen nicht, dass dieser Zustand vorübergeht. Was ist also die Folge? Wir manipulieren möglicherweise unbewusst die Situation, die wir festhalten möchten, mit der Angst, dass sie vorübergeht. Je nach unserer individuellen Erfahrungswelt laufen auch hier im Hintergrund Szenen ab, die, wenn es dumm läuft, in unserer Wahrnehmung schlimm enden. Wo liegt hier der Knackpunkt? Es ist die Euphorie. Auch sie ist ein Zeichen, dass wir draußen stehen, in der Trennung leben von Allem, was ist. Beides, das sich Sorgen machen, wie auch euphorisches Freuen, dient letzten Endes nicht unseren Mitlebewesen, sondern einzig uns selbst. Beides stillt Bedürfnisse, die wir in uns tragen. Wenn ich mich sorge und will, dass etwas in meinen Augen Schlimmes nicht geschieht, will ich das letztendlich nicht ertragen müssen. Ich möchte Harmonie und Liebe erleben, statt Leben und Sterben.
Wie komme ich also dahin, dass ich drinnen bin, im Feld? Dass ich ein Teil bin von Allem, was ist? Brauche ich eine Lehre, die mir das Leben erklärt? Oder ist eine Lehre nicht auch wieder etwas, das aus menschlichen Bedürfnissen heraus nach Untersuchungen und Beobachtungen erdacht und in Worte gefasst wurde? Das Leben selbst gibt uns immer wieder Antworten auf unsere Fragen. Doch vor lauter Suchen können wir sie nicht sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen, L E B E N. Meine Arbeit erfordert, dass ich mir immer wieder Zeiträume für Stille nehme. Das absichtslose Sein in der Natur mit ihren Pflanzen und Tieren und mit den Tieren, die mit mir leben, ist es, was mich zeitweise frei macht von Bedürfnissen. Solange ich frei bin von Bedürfnissen, brauchen die Wesen um mich sie nicht zu stillen. Sie können sein. Ich kann sein. Wir sind.
Niemand ist geeigneter, uns auf dem Weg in die innere Freiheit zu begleiten, als die Tiere dieser Welt. Sie zeigen uns auf, welche Gedankenkonstrukte wir hinterfragen und neu definieren sollten. Welcher Gedanke dient wem oder was wirklich und wie kann ich ihn zum Wohle aller Beteiligten verändern? Wenn wir dann noch in unseren Bauch fühlen und unsere Intuition wachsen und sprechen lassen, ist das gar nicht so viel Arbeit, wie es scheint. Tiere schulen unsere Intuition auf unübertreffliche Weise. Wir dürfen mit diesen wertvollen Wesen leben, uns von ihnen begleiten lassen, durch sie öffnen lassen für das Leben, hinführen zum Sein.
In diesem Sinne wünschen wir euch
einen wunderschönen Sonntag in liebevoller Freiheit,
Claudia Struwe und ihr TierTeam
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!