Maiina – vollwertig anerkanntes Rudelmitglied

Achtundzwanzig Jahreszeitenwechsel hast du hier bei uns schon erlebt und immer wieder sind sie eine Herausforderung für dich. Langsam kannst du es besser nehmen, dass die Umgebung sich anders anhört, die Vogelstimmen sich verändern, die Erde unter deinen Füßen ihre Temperatur abkühlt und, wie jetzt gerade, nasse, schlabberige Blätter schmatzende Geräusche erzeugen, bevor sie an deinen Füßen kleben bleiben. Dass sie ihre Farben verändert haben, kannst du nicht sehen, denn vor 10 Jahren wurdest du ohne Augenlicht geboren.

Das erste, was du mich hast wissen lassen, kurz nach deinem Einzug bei uns war, dass du im Leib deiner Mama neben einem toten Brüderchen gelegen hast, nach dem du dich noch viele Jahre lang sehntest. Wie gut, dass dein ebenfalls blinder Halbbruder Jack schon bei uns war, als du hier ankamst. Eure enge Beziehung wurde bis heute auch nicht durch seinen frühen Tod gestört. Nachdem Jack gegangen war, konntest du mir zeigen, dass dein Vater gleich nach der Zeugung von deiner Mutter gerissen und erschlagen worden war. Dem Himmel sei Dank, dass du mit deinen Geschwistern zwei Wochen nach eurer Geburt in einem Karton vor einer griechischen Tierarztpraxis ausgesetzt wurdest. Denn du lebst. Ja, dein Leben war, ist und bleibt immer noch und immer wieder eine Herausforderung, weil die Lebensphasen, in denen sich die Nervenfasern deines Gehirnes ausbildeten, von Todesangst, Verlusten und Mangel geprägt waren. So ist es dir oft nicht spontan möglich, selbstständig Lösungen für unbekannte, dich ängstigende Situationen zu finden, außer die Angst aus dir herauszuschreien. Oh ja, sogar deine Schwester hast du angeschrien, als du nachts um 12h zu uns gebracht wurdest. Er musste heraus, der Schmerz deiner Einsamkeit, nachdem ich dir Hannah genommen hatte. Der Tierschutzverein, der euch vermittelte meinte damals, es sei besser, sie lassen erst die Ruhigere zu uns kommen. Als Hannah allerdings eingezogen war, war ich mir sicher, sie hatten euch verwechselt. Es konnte unmöglich sein, dass sie die Ruhigere sein sollte! Ein Jahr später nahm ich alles zurück und behauptete das Gegenteil, denn dann warst du da.

Seit dem ersten Tag mit dir kenne ich das Gefühl, vom Himmel durch die Hölle zu reisen, um mit den Füßen dann wieder auf der Erde zu landen. Abgesehen von deiner Todessehnsucht und den entsprechenden Suizidversuchen, durch die du deinen Brüdern und deinem Papa näherkommen wolltest, – mit so viel Katastrophen kreierender Kreativität muss man umgehen können! Das konnte und kann ich. Denn dass wir Beide uns gefunden haben, hat einen guten Grund. Wie auch immer, der Weg, den wir alle miteinander gehen, hat uns zusammengeschweißt. Wir lernen einander, entwickeln uns gemeinsam und, das Wichtigste von allem, unser Leben ist voller Freude und gelebter Liebe! Und nun, in unserem siebten gemeinsamen Jahr geschehen wieder neue Wunder. Du findest ab und zu andere Lösungen, als zu kreischen. Du kannst dich manchmal weich und ratlos zeigen und meine Hilfe und Führung annehmen.  Nicht immer – und ich hüte mich davor irgendetwas von dir zu erwarten. Ich liebe dich weiterhin genau so, wie du bist, auch wenn mir das in der Menschenwelt mehr Feinde als Freunde beschert. Durch dein Sein forderst du kompromisslose Authentizität, mentale Stärke und Wachsamkeit und bedingungsloses Lieben. Ich bin dir zutiefst dankbar für die Einblicke, die du mir gewährst in dein Herz, deine Seele, dein Gehirn, dein gesamtes Erleben und Denken, dein tiefes Fühlen von Angst und Liebe. Dein Gehirn kann wichtige Lernleistungen nicht erfüllen. Das ist richtig. Aber auch du lässt mich hautnah miterleben, dass Erfahrungen, die deine Seele über viele Leben gemacht hat, mit jeder Öffnung deines Herzens in dein aktuelles Leben einfließen und somit auch in meines.

Alle Tiere, die mit mir leben, tragen dazu bei, dass wir anderen Tieren zur Seite stehen können; jedes auf seine ganz besondere Weise. So hast auch du mir einen Schlüssel in die Hand geschmiedet, den ich mit Freude weitergebe.

Danke, Maiina, mein Mädchen. Ich liebe dich.